NEWS AUS ISRAEL

Schock und Horror in Tel Aviv

von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 9. November 2016

Die linksgerichtete Zeitung Haaretz titelt: “Tel Aviv hat Donald Trumps Sieg mit Schock und Horror aufgenommen.“ Doch die offiziellen israelischen Reaktionen klingen ganz anders.

Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat äußerte sich als erster prominenter Politiker. Er gratulierte Trump und hofft, dass die USA Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen und ihre Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen mögen. Linke wie rechte Politiker rechnen jetzt mit einer Stärkung der Beziehungen zwischen Israel und den USA. Die waren unter Barack Obama wegen dem Atomvertrag mit Iran erheblich getrübt, wobei die israelische Opposition allein den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu dafür verantwortlich machte.

Der Knessetvorsitzende Juli Edelstein eröffnete die Plenarsitzung des Parlaments mit Glückwünschen für Trump auf Hebräisch und Englisch: „Ihr Erfolg wird auch unser Erfolg sein.“

Israels Erziehungsminister Naftali Bennett (Partei Jüdisches Haus): «Die Ära eines palästinensischen Staates ist vorbei. Trumps Sieg ist eine Gelegenheit für Israel, der Idee eines Palästinenserstaates inmitten des Landes eine Absage zu erteilen, weil er unserer Sicherheit und unserer gerechten Sache schaden würde. Ich bin sicher, dass die besonderen Beziehungen zwischen den USA und Israel weitergehen und sogar noch stärker werden.»

Ähnlich äußerten sich Oppositionschef Jitzhak Herzog vom Zionistischen Lager, der ehemaligen Arbeitspartei und Jair Lapid der Zukunftspartei.

Israels Premierminister veröffentlichte erst gegen Mittag eine Reaktion auf den Wahlausgang in den USA: „Ich gratuliere Donald Trump, zum 45. Präsidenten der USA gewählt worden zu sein. Trump ist ein wahrer Freund des Staates Israel und ich erwarte, mit ihm zusammenzuarbeiten, um die Sicherheit, Stabilität und den Frieden in unserer Region voranzutreiben. Die stählernen Bindungen zwischen den Vereinigten Staaten und Israel wurzeln in den gleichen gemeinsamen Werten, verstärkt durch gemeinsame Interessen und angetrieben durch ein gemeinsames Schicksal. Ich bin mir gewiss, dass der gewählte Trump und ich weiterhin die einzigartige Allianz zwischen unseren beiden Ländern stärken und zu weiteren Höhen treiben werden.“

„Mahapach“ jetzt auch in den USA

Israelische Kommentatoren fühlten sich nach dem Ausgang des amerikanischen Wahlkampfes stark an Vorgänge in der Geschichte vergangener israelischer Wahlkämpfe erinnert.

„Mahapach“ (Revolution) hatte Fernsehmoderator Chaim Javin das Ende der sozialistischen Regierungen mit dem Wahlsieg von Menachem Begin 1997 bezeichnet. Dieses geflügelte Wort verwendete jetzt ein Moderator nach der Wahlniederlage Clintons. Mit der Überzeugung, dass die demokratische Anwärterin den Republikaner schlagen würde, gingen manche Israelis am Dienstag beruhigt schlafen. Ähnlich war es 1996, als alle glaubten, dass Schimon Peres zum Ministerpräsidenten gewählt sei. Doch am nächsten Morgen wachten sie mit Netanjahu als Wahlsieger auf. Ohne auf die Warnungen ihrer Korrespondenten vor Ort zu hören, hatten auch deutsche Zeitungen einen Wahlsieg von Peres in ihre Schlagzeilen gesetzt.

Bei den letzten Wahlen in Israel, im Frühjahr 2015, glaubten nicht nur die israelischen Medien inbrünstig an die Vorhersagen der Umfrageinstitute und an die Ergebnisse ihrer ersten Hochrechnungen, denn sie träumten von einer Niederlage Netanjahus. Wie jetzt bei Trump wurden alle durch die endgültigen Stimmenauszählungen Lügen gestraft. „Nur hat in den USA noch keiner verlangt, wegen der Wahlergebnisse das Volk auszuwechseln, wie das die linke Presse in Israel nach der Wiederwahl von Netanjahu getan hat“, meinte zynisch ein Reporter nach Bekanntwerden der Wahlergebnisse in den USA. In Israel stellte sich später heraus, dass die Umfrageinstitute ihre Rechenmodelle so gestaltet hatten, dass die linken Parteien unbedingt siegen müssten. Doch die Wunschträume der Intellektuellen entsprachen nicht dem Willen der Mehrheit der Wähler. Das mussten jetzt neben Haaretz auch deutsche Medien lernen, allen voran das Flaggschiff Tagesschau der ARD.

(C) Ulrich W. Sahm

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