Allgemein/NEWS AUS ISRAEL

Absolut gespenstisches Pessach-Fest

von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 9. April 2020

Wegen einer über alle jüdischen Ortschaften und Stadtviertel verhängten Ausgangssperre darf man sich noch nicht einmal auf die Straße wagen. So bleibt einem für das journalistische „Berichten“ nur der Blick von der eigenen Terrasse. Am Mittwochnachmittag war schon alles fast wie ausgestorben. Auf der sonst so belebten Durchgangsstraße donnern an normalen Tagen Lastwagen, Autos und PKW vorbei, sowie lautstarke Motorräder. Am Donnerstag gab es nur ein Fahrzeug: eine Polizeistreife. Anstelle von Vätern, die ihre Kinder oder Hunde ausführen, war nur ein einzelnes orthodoxes Paar zu sehen, er mit schwarzem Hut, Bart und Kaftan, während sie ein knöchellanges Kleid und einen turban-artigen Aufbau auf ihrem Kopf trug. Vielleicht liefen sie zu einer der auf Geheiß der Regierung verschlossenen Synagogen. Am Mittwochabend sollten eigentlich alle feiernden Israelis auf ihre Balkons treten und „gemeinsam“ ein Pessachlied singen. In Jerusalem wurde aber die Totenstille nur vom unkoordinierten Gebetsruf der Moslems durchbrochen, wobei von jedem Minareth herab etwas zeitversetzt ein „Allah uakbar“ durch die Lautsprecher der Moscheen in den arabischen Viertel gebrüllt wurde.

Am Donnerstag war es noch gespenstischer. Man hörte nur noch Vogelgezwitscher und ansonsten keinerlei Motorengeräusch oder Kindergeschrei. In den Rundfunknachrichten, der einzigen noch hörbaren Verbindung zur Außenwelt, gab es nur Juden, Pessach und Glückwünsche von Trump und dem Papst. Ansonsten emotional aufgeladene Geschichten von Altersheimen, wo schon mehrere uralte Leute ganz plötzlich aus dem Leben geschieden waren wegen dem Corona-Virus. Da saßen dann die alten Leute eingesperrt in ihren Zimmern, während draußen im Innenhof die freiwilligen Helfer unter Einhaltung der jeweiligen Abstände von mindesten 2 Metern sozusagen „öffentlich“ das traditionelle Fest zum Gedenken an den Auszug aus Ägypten in die „Freiheit aus der Sklaverei“ vor 3.300 Jahren mit Gesängen feierten. Es gab keinerlei „politische“ Nachrichten, zumal schon am Donnerstag die Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung jämmerlich gescheitert waren. Wegen seiner Bereitschaft, eine Koalition mit Benjamin Netanjahu zu bilden, hatte sich die Blauweiß-Partei gespalten, während die letzten Überreste der einst allmächtigen sozialistischen Arbeitspartei Gespräche führten, sich dem kümmerlichen Überbleibsel der Blau-Weiß-Partei von Gantz unterzuordnen. Zu den Koalitionsverhandlungen hieß es, dass der politisch unerfahrene ex-Generalstabschef Gantz von dem politisch sehr erfahrenen Netanjahu sich über Tisch habe ziehen lassen wegen „Kleinigkeiten“.

(C) Ulrich W. Sahm

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