von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 6. Mai 2020
Israels Verfassungsgericht hat vor Mitternacht am Mittwoch grünes Licht für die Bildung einer Koalitionsregierung unter Premierminister Benjamin Netanjahu gegeben. Wegen einer Anklageschrift zu Korruption und Begünstigungen gegen Netanjahu stand auf der Kippe, ob er überhaupt wieder Premierminister Israels werden könne. Die 11 Richter der Obersten Gerichts stimmten dafür, dass sie juristisch nicht eingreifen könnten. Damit ist der Weg frei für eine Umsetzung des problematischen Koalitionsabkommens mit Oppositionschef Benny Gantz der Blau-Weiß-Liste, der zweitgrößten Partei im Parlament infolge des dritten Wahlgangs innerhalb eines Jahres.
Die Richter stellten fest, dass ein Regierungschef nur dann disqualifiziert sei, sowie es ein rechtskräftiges Urteil gegen ihn gebe und alle Berufungsverfahren ausgeschöpft seien.
Im Augenblick ist aber eine Anklageschrift gegen Netanjahu nur eingereicht worden, vom Distriktgericht aber wegen der Corona-Krise noch nicht einmal formal von einem Richter angenommen worden.
Weiter sagten die Richter, dass allein die Knesset mit Mehrheit den künftigen Ministerpräsidenten bestimmen könne.
Die Opposition hat derweil mehr als 1000 Einwände gegen die Regierungsbildung zurückgezogen. Laut Medienberichten könnte noch in dieser Woche die neue Regierung vereidigt werden. Damit wäre eine einjährige Krisensituation beendet, während der die Israelis gezwungen waren, dreimal an die Wahlurnen zu treten, ohne klare Mehrheitsverhältnisse geschaffen zu haben. Allein wegen der hohen Kosten wäre ein vierter Wahlgang „unverantwortlich“.
In dieser Periode blieb Netanjahu „amtierender“ Premierminister, ohne gestürzt werden zu können, weil er ja nur einer „Übergangsregierung“ vorstand.